Text: Peter Dolník
Übersetzung: Marie-Theres Cermann
Auf den Tag genau Mitte Juni, ein Jahr nach der Veröffentlichung von »Smutné stropy« (Sad Ceilings oder Traurige Zimmerdecken), einer der bemerkenswertesten Home Recordings des vergangenen Jahres, erscheint beim Label Weltschmerzen eine limitierte Nachfolge-EP von »Žiadzasamy«. Bolka studierte Sonologie in Den Haag und arbeitet mit elektroakustischen Kompositionen, Computermusik und Musik für Theateraufführungen.
Peter Dolník
Ich hatte dich lange Zeit als akademischen Musiker einsortiert und abgespeichert, als einen der Musik für Installationen, Räume und Eröffnungen macht. Wie war nun dein Weg zu einer so ganz anderen Musik wie »Smutné stropy«?
Matúš Kobolka
Im Jahr 2015 habe ich das Lied »Karabinka« geschrieben. Das sollte eigentlich ein Geburtstagsgeschenk für meine damalige Freundin sein, mit der ich eine Fernbeziehung hatte und die ich vermisste. Alle denken, dass es ein Song über Trennung ist, aber es geht um eine Fernbeziehung. Ich fand es interessant, Techniken der Popmusik zu verwenden und diese ein wenig zu verfremden, und umgekehrt: den Ton zu verfremden und Techniken der Popmusik einzubringen.
Während meines Studiums habe ich mich mit künstlerischer Subversion beschäftigt, und »Smutné stropy« ist parallel dazu entstanden. Ich habe 2015 angefangen, daran zu arbeiten, 2019 habe ich es Danky (Daniel Tóth aka ::.:, Anm. d. Red.) zum Mastern geschickt. Ich habe ihm nur Demos geschickt, und dadurch, dass ich bis dahin keine traditionelle Musik gemacht hatte, war es sehr unvollkommen. Danky hat das Ganze für mich produziert, sogar den Stimmenabgleich. Es war harte Arbeit, aber er vertraute mir und hatte Geduld mit mir.
Ich bin kein ausgebildeter Musiker, ich habe keinen klassischen Musikhintergrund, also musste ich eine neue Arbeitsweise finden. Ich wollte, dass es gut wird, aber nicht unbedingt perfekt, das war mir nicht wichtig. Die Arbeit mit der Unvollkommenheit ist Absicht.
Als Jugendlicher mochte ich Gedichte und habe auch selbst welche geschrieben. Sie waren sehr banal, die Texte feierten die Banalität. Also kehrte ich zur Poesie zurück. Und ich begann, den Gesang als Teil des Instrumentenregisters zu sehen. Ich mag keine Musik, in der die Texte nicht gut sind, zu ernst… Wenn die Kunst zu ernst ist, kann ich sie nicht ernst nehmen.
Die Tatsache, dass die Texte auf Slowakisch sind, die Musik stellenweise experimentell ist und so etwas hier fehlt, hat mich dazu bewogen, das Label LOM zu wählen.
PD
Bei mir hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich verstanden habe, was das Album »Smutné stropy« eigentlich sein sollte. Lange Zeit wusste ich nicht, was ich von »Smutné stropy« halten sollte…
MK
Ich habe mich an die Noise-Regeln gehalten, ich wollte von innen heraus dekonstruieren: das überhöhen, ja sogar verhöhnen, mit denselben Mitteln. Tatsächlich übertrage ich hier Theorien und Taktiken des postmodernen Schreibens auf die musikalische Praxis.
Es muss nicht nur darum gehen, Noise-Sachen in den Pop zu bringen und umgekehrt, sondern das kann man mit allem Möglichen machen. Auf diese Weise spielt man mit den Erwartungen. Und es ist eine feine Sache, jemanden zu überraschen.
»Smutné stropy« besteht hauptsächlich aus Midi-Instrumenten, aber Freunde aus der Schule haben mir geholfen, Akkordeon und Posaune aufzunehmen. Ich mag den Live-Klang echter Instrumente, aber ich arbeite auch gerne so, dass ich sie verfremde. Ich verwende gern Auto-Tune. Auf dem neuen Album habe ich die Gitarre mit Auto-Tune bearbeitet.
Es ist sehr viel Computermusik, sie ist synthetisch, aber sie versucht, organisch zu klingen. Wenn wir das live spielen, finde ich es cool, dass etwas aus dem Computer es in die Live-Welt geschafft hat. Es sind einfache, höchstens 4-Akkord-Songs. Deshalb heißt es »stropy«, also Decke oder Zimmerdecke, weil man da spüren kann, wo meine musikalischen und kompositorischen Fähigkeiten an eine Decke oder an Grenzen stoßen.
Der Titel »Smutné stropy« (Traurige Zimmerdecken) ist ein wenig selbstironisch. Decken haben viele Bedeutungen und eine Decke ist an sich schon traurig, findest du nicht?
PD
Und was ist mit deiner neuen Platte, die kürzlich erschienen ist?
MK
Das ist die EP »Žiadzasamy«, ein Album über Liebe und gebrochene Herzen. Es gibt 4 Songs: »Nech sa ti páčim«, »Smutekutek«, »More mám ťa rád« und einen Remix von Viktor Jenčuš aus Košice, der Hyperpop macht. Er hat alle Songs zu einem einzigen zusammengemischt.
Die gesamte Aufnahme ist 12 Minuten lang. Sie ist sogar noch banaler, naiver und mehr genredefiniert. Der erste Song ist Shoegaze, der Zweite ist Noise Cumbia, der Dritte ist Schlager, so etwas wie Karol Duchoň, und der Vierte ist Hyperpop. Es ist eine kühnere Fortsetzung von »Smutné stropy«, es ist eine Nachtrag oder eine Nachfolge dazu. Die EP spiegelt die 4 Jahre, die ich in Brünn gelebt habe. Das war wahrscheinlich meine emotionalste Zeit, ich hatte damals 2 Trennungen, aber die Songs sind gut.
Das kommt als 10-Zoll raus, die Platte sieht aus wie ein Frisbee. Auf dem Centerfold ist ein Bild von Maruša beim Skifahren zu sehen. Sie trägt eine grelle Jacke, in rot und grün, und dann die schwarze Schrift… das sieht ein bisschen aus wie eine palästinensische Melone. Und auf dem Foto von Maruša spürt man auch einen gewissen Klima-Schmerz, denn es liegt nicht viel Schnee, und darunter steht Weltschmerzen, der Name des Labels, der es veröffentlicht hat. Auch hier wird das wieder sehr vielschichtig sein.
PD
Hast du Pläne für die Zukunft?
MK
Nach dem Sommer möchte ich mit der Arbeit an einer neuen Sache beginnen, die ganz anders als alles Bisherige wird. Ich möchte zum Noise zurückkehren. Ich möchte ein dunkles Album machen. Es wird Gesang und gesprochene Worte geben, aber ich möchte auch Gastauftritte von Leuten haben, die Dark Music machen. Ich möchte mit Power Violence und Chansons arbeiten, ich möchte ein fröhliches Album aus der Dunkelheit heraus machen, ich möchte die Dunkelheit untergraben. Der Arbeitstitel ist »Smrť smrti« (Der Tod des Todes).
Mein drittes Album wird die Antithese zu dem sein, was ich bisher gemacht habe. Ich werde alles negieren.
Und ich möchte immer noch ein humorvolles, akademisches und ruhiges Album für das Label Mappa machen. Humor, Leichtigkeit und Unbeschwertheit sind meine bevorzugten Ausgangspunkte.
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