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em guide toolkit: triglav

Mai 2024

Weil Synthesizer von Buchla oder Serge Modular teuer sind, fing Márton Bertók aka. Triglav an, günstigere modulare Systeme umzubauen und zu erweitern, bis sie für ihn passten. Mittlerweile kann sich der Budapester Musiker auch Instrumentenbauer nennen. Im Gespräch mit dem ungarischen Magazin MMN erzählt er, was einen guten Synthesizer ausmacht und warum er keine Lust hat, langweilige Konzerte zu geben.

Von Gábor Nemerov
Übersetzung aus dem Ungarischen: Natalie Szende

Működésben oder auf Englisch Toolkit ist eine neue Reihe von MMN, in der das Magazin in thematischen Interviews bedeutende Akteur:innen der nationalen und internationalen elektronischen Musikszene vorstellt. Dabei liegt der Fokus einerseits auf ihren künstlerischen Methoden und kreativen Praktiken, darüber hinaus geht es jedoch auch um die Diskussion bestimmter Themen sowie um vergangene Events oder die Pläne der befragten Personen.

Die Reihe macht nicht vor eher fachlichen, tiefgründigeren Diskursen Halt, strebt gleichzeitig aber vor allem nach Zugänglichkeit. Zusammen mit Fotografien entstehen umfassende Portraits der Künstler:innen.


MMN 
Wie bist du zur Musik gekommen? Was war deine erste bewusste musikalische Erinnerung oder Erfahrung?

Triglav alias Márton Bertók
Meine erste musikalische Erinnerung als Kind ist, wie meine Eltern im Auto Musik gehört haben. Von selbst habe ich lange nicht wirklich etwas Spezielles gehört, erst im Gymnasium habe ich damit bewusst angefangen.
Die erste für mich wichtige Band war Radiohead, die mir den Weg in eine Menge Richtungen ebnete. Als meine Eltern das mitbekamen, drückten sie mir Platten von Coil und Swans in die Hand, und ich begann, verschiedenste spannende Konzerte zu besuchen, die András [András Nun, Mitbegründer und Organisator des UH Festes] mir empfahl. Eines dieser prägenden Erlebnisse war das UH Fest 2010, wo ich unglaublich viele interessante Konzerte gehört habe.

Das mit dem Musikmachen kam daher, dass ich jedes Mal, wenn ich mir etwas anhörte, vor allem bei Konzerten, versuchte zu verstehen, was zur Hölle da gerade passiert. Das hat mich nie losgelassen, dass da jemand mit so einem komischen Instrument rauskommt, darauf herumdrückt und wie zum Teufel das überhaupt Töne erzeugt. Ich habe versucht, mich mit der Materie tiefer zu beschäftigen, und dann ist mir klargeworden, wie kostspielig das Ganze sein kann und dann war ich ein bisschen enttäuscht [lacht].

MMN 
Was waren die ersten Instrumente, mit denen du begonnen hast, deine eigene Musik zu machen?


Auf dem Gymnasium habe ich mich zuerst an der Gitarre versucht, außerdem hatte ich ein paar Klavierstunden – eher mit geringem Erfolg – und dann war natürlich Ableton auf dem Laptop naheliegend. Der modulare Synthesizer hat mich übrigens bereits seit den Radiohead-Tagen angezogen. Jonny Greenwood hat ihn viel benutzt, zum Beispiel in »Idioteque«. Auf dem UH Fest 2010 hat mich dann die Art und Weise, wie Derek Holzer seinen großen DIY-Modular spielte, absolut umgehauen. Ich erinnere mich, dass ich danach mehrere Leute gefragt habe, wie das eigentlich genau funktioniert, und niemand konnte mir eine Antwort geben.

Irgendwann, als ich schon eine ganze Weile mit einem Laptop gearbeitet hatte, ging ich zu Zoli Balla und probierte seinen Korg MS-20 Synthesizer aus. Das brachte mich auf die Idee, dass dieses Hardware-Zeugs vielleicht doch einen Sinn hat und nicht bloß furchtbar teuer ist. Mit meinem ersten anständigen Gehaltsscheck kaufte ich ein Eurorack-Modul, das ein einteiliger Oszillator war, eine Verbos-Version des Buchla-Doppeloszillators – damit fing alles an.

Oder, sorry, das stimmt nicht ganz. Zuvor hatte ich auch einen Octatrack, der war auch klasse.

MMN 
Du hast Ableton und Octatrack als erste Instrumente erwähnt, die digitale Ansätze in sich tragen. Später hast du dich langsam in die analoge Eurorack-Welt und dann in das Buchla-Ökosystem bewegt. Was war der Auslöser für diese Entwicklung?


Als ich mit Ableton oder Octatrack herumspielte, war ich mir nicht wirklich bewusst, ob ich analog oder digital arbeiten will. Das sind alles interessante Werkzeuge, um ungewöhnliche Sounds zu erzeugen. Als ich dann Charles Cohens »Brother I Prove You Wrong« hörte, dachte ich sofort: Was ist das, und womit macht er diesen organischen, fetten Sound? Ein Sound, der überhaupt nicht wie andere Synthesizer-Musik klingt. Ich habe recherchiert und herausgefunden, dass das ein Buchla ist und dann habe ich den Preis des Buchla nachgeschlagen und war traurig [lacht].

So kam ich auf die Eurorack-Welt, die hauptsächlich auf dem Kopieren von Buchla und Serge basiert. Ich habe angefangen, ein System in Eurorack zu bauen, das in etwa den verschiedenen Modulen des Buchla Music Easel entsprach, um einen preiswerteren Music Easel zu bauen, der natürlich immer noch nicht billig war (und letztendlich natürlich auch kein Music Easel), aber man konnte damit äußerst interessante Klänge erzeugen.

MMN 
Das hat dich wahrscheinlich eine Zeit lang zufrieden gestellt … bevor du dir dann tatsächlich einen Music Easel angeschafft hast. Wie kam das?


Ich war nie vollkommen zufrieden mit diesen Modulen, ich hatte immer ein wenig das Gefühl, dass sie nicht wirklich »gut« funktionierten, mit anderen Worten: Sie funktionierten nicht so, wie ich es wollte. Außerdem gab es viele Module, die ich nur DIY bauen konnte, zum Beispiel mein Lo-Pass-Gate-Klon oder die Turing-Maschine. Bei diesen Modulen bat ich anfangs Peti Márton und Bálint Zalkai um Hilfe. Später begann ich dann, bestehende Module selbst zu bauen und zu modifizieren. Nach einer Weile, als ich genug gebastelt hatte, war mir klar, dass ich mir zwar immer noch keinen originalen Buchla kaufen können werde (und schon gar kein Vintage-Teil, dazu müsste ich meine gesamte Wohnung verkaufen), aber dass ich mittlerweile gut genug im Heimwerken sein könnte, um selbst einen zu bauen. Also beschloss ich, damit anzufangen.

MMN
Auch heute noch verfolgt der Buchla-Sound einen ungewöhnlicheren Ansatz als beispielsweise die traditionelle subtraktive Synthese. Worin siehst du die Einzigartigkeit und Besonderheit des Buchla im Gegensatz zu einem eher klassischen MS-20-Synthesizer?

T
Der MS-20 ist sehr gut, ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen. Dennoch werden diese Instrumente in der Regel mit der Vorstellung gebaut – auch wenn sie nicht zwangsläufig auf diese Weise verwendet werden müssen –, dass man eine bestimmte Klangfarbe mischt, damit dann einfach auf der Klaviatur (oder dem Sequencer oder womit auch immer) herumspielt, manchmal den Filter ein wenig hin- und herschiebt und das war’s. Die Buchla- und Serge-Philosophie sind ein bisschen offener – Klangfarbenmodulationen [zusammen mit dem notenbasierten Spiel] sind gleichermaßen Teil der Buchla-Welt, im Gegensatz zum MS-20-Ansatz.

MMN
Kennst du noch mehr Leute in Ungarn, die mit dem Buchla-System arbeiten?

T
Ich glaube, einer der Jungs bei Analogue Zone hat einen Buchla. Bálint Zalkai soll einen bauen, ich weiß nicht, wie weit er damit ist, und es gibt noch einen anderen Typen, Gábor Kakuk, der die Encoder Audio Plugins macht. Er besitzt auch einen Music Easel, Serge- und DIY-Zeug, aber ich kenne ihn nicht persönlich, nur aus den gemeinsamen Buchla-Facebook-Gruppen und aus Modular-Synth-Foren.

MMN
Wie sieht bei dir der kreative Prozess des Musikmachens aus?

T
Ich gehe den Weg des geringsten Widerstands [lacht]. Ich mag es nicht, Dinge im Voraus festzulegen, also beginnt alles, was ich mache, mit improvisierten Sessions. Normalerweise mag ich es, wenn ich ganz einfach damit anfangen kann, einen Sound zu erzeugen, deswegen gibt es hier an der Seite einen Knopf [er drückt einen Knopf an der Seite seines Schreibtisches], dann steht alles unter Strom, schaltet sich ein und dann fange ich damit an, Elemente zum Klingen zu bringen [er lässt den Music Easel ertönen], und ich beginne irgendwann mit dem Loopen … [er hört auf zu sprechen, konzentriert sich stattdessen auf sein Instrument und spielt etwa eine halbe Minute lang, dann spricht er weiter]. Ich bilde Schichten, etwa 20-40 Minuten lang. Diese schicke ich später in separaten Kanälen in den Mixer, wo sie dann ca. ein halbes Jahr lang liegen bleiben [lacht], oder bis ich das Gefühl habe, dass dort nicht genug Material ist.

Sobald das passiert, nehme ich alle Spuren raus und schmeiße sie in Ableton. Dort fange ich dann an, sie mit tape music-artigen Methoden zu schneiden und zu schichten. Obwohl ich gerne mit live erzeugtem Grundmaterial arbeite, betrachte ich die Erzeugnisse nicht als heilige, unantastbare Entitäten, die um jeden Preis ihren ursprünglichen Live-Charakter behalten müssen. Stattdessen bearbeite ich sie so, dass Tracks aus ihnen entstehen.

Triglav – Streams Like It’s Tempered

MMN
Was genau meinst du mit tape music-Methoden?

T
Was ich meine, ist, dass ich nicht anfange, sie erneut zu samplen. Ich wende nur Verfahren an, die man auch mit einem analogen Tonband machen könnte: schneiden, verlangsamen, beschleunigen, schichten, eventuell rückwärts abspielen, EQ, Filter…

MMN
Im Grunde genommen Schritte, die man vor 70 Jahren auch schon hätte durchführen können.

T
Mehr oder weniger, ja. Es gibt also keine richtige Nachbearbeitung. Es ist nur so, dass ich, wenn ich, sagen wir, eine 40-minütige Improvisation habe, versuche, die Teile zu finden, die mir wichtig sind, und die Teile herauszuschneiden, die mich eher langweilen.

MMN
Während du darüber sprichst, wie deine musikalische Herangehensweise aussieht, wendest du dich automatisch dem Music Easel zu. Kann man sagen, dass das derzeit dein Hauptinstrument ist?

T
Absolut, der Music Easel und der Electro-Harmonix 45000-Looper – die beiden sind die Herzstücke von allem. Zwar passiert das im Moment seltener, aber wenn ich das Gefühl habe, mit diesen Instrumenten einen soliden Rahmen aufgebaut zu haben, dass aber trotzdem noch irgendetwas fehlt, dann nehme ich mit dem Eurorack noch ein paar weitere Spuren auf.

MMN
Ich sehe auf deinem Schreibtisch auch eine Roland TR-09 Drum Machine, eine modernere Version des klassischen 909. Die war beim letzten Mal noch nicht da, als ich dich besuchen kam, oder?

T
Stimmt, das ist meine neueste Anschaffung. Ich habe sie gekauft, weil ich alle Drum Machines hasse [lacht] und ich wollte mal sehen, ob ich damit Dinge kreieren kann, die ich… nicht so sehr hasse. Ich stehe noch ganz am Anfang, es ist sehr kompliziert und vor allem mühselig im Vergleich dazu, was ich normalerweise gewohnt bin. Außerdem bin ich kein Fan von vorprogrammierten Patterns und Drum-Rhythmen.

MMN
Die Sachen, die Leute üblicherweise damit machen…

T
Genau. Deshalb fällt es mir momentan noch schwer, die TR-09 zu integrieren. Trotzdem habe ich es geschafft, ihr einige interessante Ansätze zu entlocken. Im gewöhnlichen Techno-Kontext finde ich die Verwendung nicht so spannend, aber was beispielsweise Mark Bell in Björks »Hunter« macht, finde ich sehr inspirierend.

MMN
Weißt du schon konkreter, wie du die Drum Machine in deine Musik einbringen willst?

T
Das wird sich noch herausstellen, aber ich würde gerne feine Rhythmen aus ihr herauskitzeln, die nicht allzu sehr im Vordergrund stehen, sondern die ohnehin schon zyklischen Themen um einen Puls ergänzen.

MMN
Sowohl im Roland als auch im Buchla gibt es Sequencer. Hast du vor, sie zu synchronisieren?

T
Ja, wobei das im Moment nur halbwegs funktioniert, weil ich noch keinen MIDI-Splitter gefunden habe, der mit meinem MIDI-to-Analog-Clock-Converter funktioniert. Das Problem ist, dass ich zwar eine MIDI-THRU an der 09 habe, aber wenn ich die 09 vom Looper aus steuere, der das MIDI-Signal an den Buchla sendet, wird das MIDI-Signal zu einem einzigen Chaos und fügt einen Haufen zusätzlicher Informationen hinzu, die den Converter dann komplett durchdrehen lassen. Ich bräuchte also einen guten MIDI-Splitter, aber weiter bin ich mit dieser Lösung noch nicht gekommen.

MMN
Wie war es, mit Éva (Éva Bárdits, alias Trutat, ex-Aires Altos, ex-Holnaplányok) an eurem gemeinsamen Album zu arbeiten? Woher kam die Idee für das Album?

T
Sollen wir am besten zusammen antworten? [Martin schaut über meine Schulter zu Éva, die mit uns im Raum ist, sie lachen.] Es wäre mir unangenehm, über dich zu sprechen, wenn du hier bist und nicht selbst antwortest. [Also gesellt sich Éva zu uns.]

Wir haben uns vor etwa zwei Jahren auf einem Konzert im Lumen kennengelernt. Damals wollte ich schon lange einen Solo-Gig spielen, weil ich das Gefühl hatte, dass ich ständig in Free-Jazz-Kollaborationen spiele, was zwar ohne Frage toll sein kann, aber ein anderes Genre ist als das, was ich alleine vorhatte.
Dávid [Tamás Dávid Pap, Konzertveranstalter, Gründer von PrePost Records] war einverstanden, aber er sagte auch, dass wir für diesen Abend noch jemanden bräuchten und ich überlegte, wer das sein könnte. Meine Vorstellung war ein etwas kontrastreicherer Abend mit jemandem, der nicht aus der elektronischen Ecke kommt, aber da war ich auch direkt verzweifelt, weil mir niemand einfiel…

Éva Bárdits
Ich fühle mich sehr geschmeichelt [lacht].

T
Ich ging also auf Bandcamp und hörte mir alles an, was Budapest experimentell zu bieten hatte, aber nur eine Sache gefiel mir wirklich, die Platte von Vicus.

MMN
Welches Album war das?

T
Trutat [»Gilles in the Red«].

Trutat- Gilles in the Red

ÉB
Von dem Projekt gibt es nur das Album von 2014 auf Bandcamp.

T
Ich habe also versucht herauszufinden, wer dahintersteckt, habe Éva kontaktiert und sie hat zugesagt. Meiner Meinung nach war das Konzert im Lumen toll.

MMN
Aber sofern ich das richtig verstehe, habt ihr hier noch nicht wirklich zusammen, sondern nacheinander gespielt?

T
Ja, aber wir haben uns vorher darauf geeinigt, dass es keine Pause zwischen den beiden Acts geben soll, sondern dass es einen gemeinsamen Teil von etwa 5 Minuten dazwischen geben würde.

ÉB
Genau – das war wirklich das Aufregende daran, weil es keine Absprache gab, dass ich mit einem Volkslied anfangen und Marci sein Set mit einem Volkslied beenden würde. Das war einfach ein total schöner, fließender Übergang.

T
Danach haben wir abgemacht, öfter zusammen Musik zu machen, weil es uns beiden wirklich Spaß gemacht hat und so ist es dann auch gekommen.

ÉB
Ich habe meine Diplomarbeit über unser gemeinsames Album geschrieben, was eine tolle Gelegenheit und ein guter Rahmen dafür war, den theoretischen Ansatz des Albums zu reflektieren. Allgemein ist aber die Improvisation die Grundlage unseres gemeinsamen Musizierens, wir haben zu Hause immer viel herumgespielt und ausprobiert.

T
Ja, obwohl diese Tracks nicht direkt aus der Improvisation kamen. Es gab einige Tracks, die Vicus mitbrachte und die wir dann zusammen weitergedacht haben. Beziehungsweise auch andersrum.

MMN
Das sind also existierende Volkslieder, die auf dem Album sind, richtig?

T
Ja, mit Ausnahme des ersten und der Hälfte des letzten Tracks. Das ist eine kommunistische Transkription zu der Melodie eines ursprünglich volkstümlichen Liedes.

[Wir nicken alle, ich blättere in meinen Notizen, Éva geht.]

MMN
Du bist auch Instrumentenbauer, denn mittlerweile stellst du Instrumente und Module auf Bestellung her. Wie kam es zu dieser Beschäftigung?

T
Da komme ich zurück auf die Eurorack-Geschichte: Mit allen Eurorack-Modulen, die ich benutzt oder gebaut habe, gab es irgendein winziges Problem. Zum Beispiel war die Impulse Response nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte, sie war teils zu linear, obwohl sie eher exponentiell hätte sein sollen. Oder sie hat entweder zu sehr verzerrt, oder manchmal eben zu wenig – der Punkt ist, dass ich mit unzähligen Fällen zu tun hatte, in denen ich solche und ähnliche Ungenauigkeiten korrigieren musste. Also fing ich an, meine bestehenden Module auf diese Weise zu optimieren.

Irgendwann wollte ich ein Buchla-257-Voltage-Processor-Modul, während ich noch mit Eurorack arbeitete, von dem es zwar verschiedene Ausführungen gab, aber keine davon stellte mich wirklich zufrieden. Da das ein relativ einfaches Modul ist, dachte ich mir: Was wäre, wenn ich es klonen würde? Ich merkte jedoch bald, dass es in Eurorack nicht so gut funktionieren würde, da das originale Buchla-Modul nur Steuersignale verarbeiten kann – was kein wirkliches Problem ist, denn etwas anderes kann man daran physikalisch gar nicht anschließen. In Eurorack gibt es jedoch keinerlei Einschränkungen, und so kam ich darauf, dass es toll wäre, wenn es auch mit Audiosignalen funktionieren würde.

Ich habe viele Entwürfe gemacht und darüber nachgedacht, wie ich die Buchla-Schaltung für Audio umfunktionieren kann, aber dann habe ich beschlossen, das Ganze zu verwerfen. Stattdessen behielt ich den größten Teil der Bedienoberfläche bei und entwarf einen völlig neuen Schaltplan, der auf dem SSI2164 VCA IC basiert. Ich benötigte eine Menge Prototypen, um sie zum Laufen zu bringen, aber schließlich habe ich es geschafft, und so habe ich mir dieses Buchla-257-ähnliche Modul gebaut.
Aufgrund des einzigartigen Schaltplans und der modifizierten Benutzeroberfläche können wir das als eigenes Design bezeichnen. Um im Audiobereich zu funktionieren, kamen einige Funktionen hinzu, beispielsweise die Möglichkeit, den spannungsgesteuerten Crossfader ohne Patching als Ringmodulator umzuschalten.

MMN
Daraufhin hast du dann immer öfter deine eigenen Ideen entwickelt?

T
Ja, etwas später habe ich angefangen, den Music Easel zu bauen, der einen Kartensteckplatz hat. Leute, die schlauer waren als ich, erkannten, dass man damit nicht nur Presets in Music Easel einspeisen kann, sondern auch verschiedene Erweiterungen. So kann man natürlich auch die Möglichkeiten des Music Easel erweitern. Zum Beispiel kann man eine Karte verwenden, die dem Music Easel den Oszillator eines EMS Synthis hinzufügt.
Ich habe überlegt, was man in diesem Format noch machen könnte, was noch fehlt. Ich habe dann eine Radiokarte umgesetzt, die ich schon im Eurorack gerne verwirklicht hätte. Die Geschichte dahinter ist, dass Don Buchla in den späten 60er Jahren ein spannungsgesteuertes Radio baute, das John Cage sehr gefiel, als er eines Tages Buchlas Studio besuchte. Cage war fasziniert von der Tatsache, dass man im Grunde eine Klaviertastatur benutzen konnte, um verschiedene Radiosender in Echtzeit abzuspielen, und ich versuchte, diesen Enthusiasmus mit einer von mir entworfenen Radioempfangskarte, die FM-, AM- und Kurzwellensendungen empfangen konnte, aufzugreifen und umzusetzen.

MMN
Wann bist du mit einem Instrument zufrieden?

T
Ich denke, das Wichtigste an einem Instrument ist die Bedienoberfläche. Das ist der wesentliche Punkt, an dem man mit dem Instrument in Verbindung tritt. Die Schaltung des Music Easel ist nicht wirklich etwas Besonderes (abgesehen vom Oszillator und dem Ringmodulator, wobei das auch eher technische als klangliche Kuriositäten sind). Letztendlich ist es die Bedienoberfläche, die den Music Easel zu dem macht, was er ist, und zwar ein gutes Instrument – die ist nämlich viel besser als bei jedem anderen Synth, dem ich bisher begegnet bin. Den Sound hat man beispielsweise auch im Arturia-Music Easel [eine Software-Emulation des Music Easel], beim blinden Hören könnte ich vermutlich nicht sagen, ob ich einen Software- oder Hardware-Music Easel höre. Trotzdem ist es ein weiteres Instrument, mit dem man über eine Maus oder einen Cursor interagiert…

MMN
Oder man weist Parameter über Midi-Mapping einem Controller zu…

T
Ja. Don Buchlas Philosophie war, dass wenn man zuerst das Interface entwirft und danach erst die Funktionsweise »hinter den Kulissen«, dieses Design nicht überholt sein wird – dem stimme ich vollkommen zu. Viele Synthesizer werden hergestellt, indem man eine interessante Schaltung entwickelt und dann Knöpfe anbringt, die man bedienen kann, aber musikalisch kann man anhand dessen nicht sagen, wofür das Instrument gedacht ist.
Zum Beispiel basiert das Layout des Serge-Systems auf dem Grid, vor allem die originalen Paperface-Module. Hauptsächlich deshalb, damit man das gleiche Interface für alle Module verwenden kann: Man legt einfach ein anderes Overlay darüber, und dann hat man die Drehregler und Jacks an anderen Stellen, aber weiterhin auf dem gleichen Grid. Im Gegensatz dazu basiert die Buchla-Philosophie darauf, dass theoretisch auch ein Laie erkennen kann, auf welches Modul er gerade blickt. So sind hier zum Beispiel die wichtigen Drehregler auch etwas größer angelegt und nicht in einem uniformen Raster in militärischer Anordnung aufgereiht. Auch abseits der Music Easel, beispielsweise wenn man ein älteres System-200-Modell unter die Lupe nimmt, ist das Prinzip das Gleiche: Jedes Modul, auch wenn es nur 4 Potentiometer hat, befindet sich in einem einzigartigen Layout. Man kann zwei Module nicht miteinander verwechseln.

MMN
Wie sieht eine Live-Performance bei dir aus? Worin unterscheidet sich deine Vorbereitung auf einen Auftritt von deiner Arbeit an aufgenommenem Klangmaterial?

T
Die beiden Prozesse sind bei mir sehr ähnlich. Meine Auftritte laufen so wie die erwähnten 20-40-minütigen Sessions ab. Der Unterschied ist, dass ich mir für den Auftritt vorher überlege, was die unterschiedlichen Segmente sein werden. Eher in groben Zügen, weniger im Sinne von »ich spiele in C-Dur« oder »bleibe in e-Moll«. Es handelt sich eher um ein allgemeines Patch oder ungefähre Energiepegel, die ich anstrebe, um einen Bogen im Ablauf eines Konzertes zu planen – innerhalb dessen improvisiere ich. Es ist also ähnlich wie bei der Studioarbeit, aber ich habe natürlich nicht die Möglichkeit, auf der Bühne zu schneiden oder zu bearbeiten.

Bei Live-Konzerten versuche ich, dem Zuhörer das Live-Erlebnis zu vermitteln und eine Verbindung zu schaffen zwischen dem, was ich in einer Situation vor ihnen mache, und dem Höreindruck als direkte Konsequenz dessen.

MMN
Beim letzten UH Fest hast du etwas Interessantes gemacht: Du hast dem Publikum einen Fragebogen gegeben, in dem du ihnen quasi im Voraus verraten hast, wie dein Set aufgebaut sein wird. Außerdem hast du das Konzert mit einem Mikrofon in der Hand eröffnet und eine selbstkritische Rede gehalten, in der du das Publikum animiert hast, das Gehörte bewusst zu verfolgen und zu beurteilen. Wie bist du auf die Idee gekommen, das in deinen Gig zu integrieren?

T
Im Allgemeinen bin ich von den Konzerten, die man heutzutage als »experimentelle« Musik zu bezeichnen pflegt, sehr gelangweilt. Es langweilt mich, wie routiniert, humorlos und professionell sie sind. Ich sehe keine Spielhaftigkeit in ihnen, die Performer:innen gehen kaum darauf ein, dass ihnen eine Bühne zur Verfügung steht. Stattdessen lassen sie ein bestimmtes Programm ablaufen und das finde ich unglaublich öde. Der dänisch-färöische Musiker Goodiepal hingegen macht nichts anderes, als mit dieser Situation zu spielen. Er gibt ein Konzert, das eine Kritik an sich selbst und dem Genre ist. So etwas in die Richtung wollte ich auch versuchen.

Was ich dadurch auch thematisieren wollte, ist das Gefühl der Entfremdung von elektronischer Musik, das offenbar viele empfinden. Es ist ein weit verbreitetes Phänomen, dass das Publikum nicht versteht, was bei elektronischer Musik tatsächlich auf der Bühne passiert.

Vielleicht machen sich andere darüber nicht so viele Gedanken wie ich, aber ich denke, das Potenzial der Spannung einer Live-Performance geht verloren, wenn das Publikum nicht versteht, was dabei auf dem Spiel steht. Wenn die Zuhörer:innen nicht auf dem Schirm haben, dass man es tatsächlich vermasseln kann. Naja, oft kann man das gar nicht, weil viele sogenannte Live-Acts sich weitestgehend absichern und für wirkliche Spannung überhaupt kein Raum bleibt. Man sieht lediglich, dass ein vermeintlicher Profi die Bühne betritt und man weiß genau, da besteht null Risiko, alles ist vorprogrammiert.

MMN
Das hast du im Fragebogen thematisiert, durch den das Publikum bewerten konnte, wie ihnen ein bestimmtes Segment gefallen hat…

T
Ja, und ich habe bei jedem Segment erklärt, wie riskant es ist. Außerdem habe ich versucht auszuführen, wie jedes einzelne Segment ungefähr entstanden ist. Von den Karten [Karten, die in den Synthesizer eingesetzt werden können, um ihre Funktionen zu erweitern] habe ich übrigens auch erzählt, damit das Publikum verstehen kann, wofür die einzelnen Karten verantwortlich sind und welche Rolle sie an bestimmten Punkten des Konzertes spielen.

This article is brought to you by MMN Mag as part of the EM GUIDE project – an initiative dedicated to empowering independent music magazines and strengthen the underground music scene in Europe. Read more about the project at emgui.de.

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Márton Bertók ist ein in Budapest lebender elektronischer Instrumentenbauer und Musiker, der den Bereich zwischen organischen und synthetischen Klängen erforscht. Sein Hauptinstrument ist ein modifiziertes Buchla Music Easel, eines der ersten modularen Systeme, die für Live-Performances entwickelt wurden. Neben seiner Soloarbeit unter dem Namen »Triglav« ist er ein aktiver Mitstreiter in der Budapester Szene für improvisierte Musik.
Im Jahr 2022 gründete er »Triglav Modular«, ein Projekt, das sich auf die Entwicklung und Herstellung elektronischer Geräte konzentriert, die von den Instrumenten der Westküste der 70er Jahre inspiriert sind.

MMN Mag ist ein unabhängiges Musikmagazin, das 2016 in Budapest gegründet wurde, mit der Mission, über die Underground-Musikszene in Ungarn und darüber hinaus zu berichten. Mit Wurzeln in Darmstadt, Frankfurt und Berlin zielt MMN darauf ab, entfernte unabhängige Musikszenen zu verbinden und zu stärken. MMN veröffentlicht Artikel über Musik, organisiert Veranstaltungen und moderiert eine Radioshow bei Lahmacun Radio, einem Budapester Community-Radio.