Wenn ihr Euch trefft, um die neue Festivalausgabe mit neuen Künstler*innen zu planen – wonach sucht ihr dann? Oder sucht ihr gar nicht, sondern findet?
FELIX SCHÖNHERR
Im letzten Jahr waren es hauptsächlich Leute, die wir uns gegenseitig vorgestellt haben. Dieses Mal haben wir auch einige Leute angesprochen, hatten aber auch eine öffentliche Ausschreibung.
Dann haben wir geschaut, wie das gut zusammenpassen könnte, um möglichst viel Varianz dabei zu haben: sowohl bei den Künstler*innen selbst als auch durch die Art, wie wir sie dann – vor allem auf Grundlage ihrer jeweiligen Disziplinen – in Gruppen zusammensetzen. Wir wollen eine größtmögliche Mischung, die zusammen mehr ergeben könnte als eine Addition.
KARL LUDWIG:
Wenn ihr die Leute anfragt, wisst Ihr also erstmal gar nicht, was dann später passiert?
LORENZ ROMMELSPACHER:
Das ist ein ganz wichtiger Teil der Idee, aus der dieses Festival entstanden ist: Eine Situation, die – gerade für junge Künstler*innen am Anfang der Karriere – eigentlich nie vorkommt, ist die, dass ein Veranstalter sagt „Hey, wir finden deine Arbeit gut. Mach etwas für uns, aber sei frei dabei!“ Genau das ist die Rolle, die wir einnehmen wollen. Wir möchten die Künstler*innen dazu befähigen, genau das zu machen, was sie machen wollen – natürlich im Rahmen der zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten. Aber wir wollen keine thematischen oder strukturellen Vorgaben machen, sondern sagen „Hier habt ihr eure Bühne. Lebt euch aus!“
Dabei spielt ihr ja auch ein großes Risiko. Gab es Erfahrungen mit Projekten, die gescheitert sind?
SOPHIE EMILIE BEHA:
Das ist die Frage, wie man Scheitern definiert. Ich glaube, wenn man mit so einer großen Freiheit reingeht, dann ist klar, dass man vielleicht sagt „Hm. Wenn ich dir etwas vorgegeben hätte, wäre ich mit dem Ergebnis vielleicht auch zufrieden gewesen.“
Aber ich glaube, darum geht es uns gar nicht. Klar, auch diese Mal ist jemand ausgestiegen aus Gründen. Aber das sind Dinge, die dann dazugehören und die wir auch bewusst so mitnehmen. Wir sehen das dann nicht unbedingt als Scheitern an, sondern als Teil des Ganzen.
Wie versucht ihr diesen inhaltlichen Freiraum dann auch im Veranstaltungsraum umzusetzen?
FS: In Köln ist es auf jeden Fall eine Herausforderung einen Raum zu finden, der nicht entweder schon total abgespielt oder zu teuer ist (oder den zu betreten verboten ist). Es ist tatsächlich schwierig, etwas zu finden, das wir cool finden.
Seit einer halben Stunde haben wir jetzt einen neuen Raum. Und das ist dann eben einfach der Raum. Der macht natürlich den Charakter des Festivals sehr aus und ist gleichzeitig einfach eine Setzung, auch als ein Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeit.
LR: Das sind so die Situationen, mit denen man umgehen muss. Wir hatten erst einen anderen Raum, haben auch schon eine Begehung gemacht und die Künstler*innen haben teilweise schon angefangen dort site-specific zu arbeiten.
Aber das ist ein Problem der freien Szene generell. Wir müssen eben kreativ werden und rumfragen und jetzt zum Beispiel im Plenum eines anderen Kollektivs aufschlagen: „Hey, wir haben ein Kunstprojekt. Habt ihr Bock, das mit uns durchzuziehen?“ Aber auch das ist ja Teil unseres Festivals, das einen ganz starken Netzwerk-Gedanken hat. Es geht uns darum, dass sich junge Künstler*innen aus verschiedenen Szenen miteinander verbinden, über Genre-Grenzen hinweg miteinander arbeiten und das hoffentlich auch langfristig tun. Das soll natürlich nicht bei den Künstler*innen aufhören, sondern eben auch bei uns Organisatoren weitergehen.
Es ist sehr auffällig, dass wirklich jeder und jede dieser Teilnehmenden sozusagen eine eigene Berufsbezeichnung hat.
LEONIE STRECKER:
Uns ist wichtig, dass sich die Künstler*innen aus ihrer eigenen Komfortzone heraus begeben müssen und mit Leuten arbeiten, mit denen sie sonst vielleicht keinen Kontakt gehabt hätten. Gerade weil wir eigentlich alle mehr oder weniger aus dem musikalischen Bereich kommen, versuchen wir da selbst ein bisschen auszubrechen und neue Kontakte zu schaffen.
Was sind die größten Hürden, wenn so viele Disziplinen untereinander kommunizieren?
SB: Man kommuniziert ja erstmal nicht mit Disziplinen, sondern mit anderen Menschen. Deswegen geht es wie immer in großen Gruppen um zwischenmenschliche Kommunikation. So würde ich das erst einmal sagen. Danach kommt vielleicht ein Verständnis für eine andere Praktik, wo man sich dann nocheinmal besonders sensibel annähern muss und auch Reibung entstehen kann.
LR: Und natürlich ist es schon so, dass fünf klassische Musiker*innen alle eine Sprache gelernt haben, die sie verstehen. Wenn da eine Tänzerin dazukommt, jemand aus der bildenden Kunst und vielleicht noch eine, die Projection-Mapping macht, dann kommen natürlich schon verschiedene Arten der Kommunikation und unterschiedliche Sprachen zusammen. Aber genau das ist doch das Spannende: in diesen Prozess einzusteigen und zu schauen, wie wir eine gemeinsame Sprache finden.
Der Raum ist also gefunden. Was steht jetzt an?
ROSE WEISSGERBER:
Das große Spannende ist jetzt die Residency, unsere Arbeitsphase im Schwarzwald. Das alles zu planen, auch immer noch mit der Coronapandemie im Kopf, ist natürlich auch eine Aktion.
Dazu kommt, dass noch eine Antwort der Fördergerber aussteht. Wir schweben also gerade ein bisschen im Raum und warten ganz gierig auf die letzte Antwort!
Dann drücke ich die Daumen und bedanke mich für das Gespräch.
Das Interview führte Karl Ludwig mit Rose Weissgerber, Felix Schönherr, Leonie Strecker, Lorenz Rommelspacher und Sophie Emilie Beha am 16. März auf Zoom.
Guterstoff ist ein junges Kollektiv, das ein Festival für transmediale und experimentelle Musik in Köln organisiert. Es tritt 2022 zum zweiten Mal an, um eine Plattform für neue Kunstformen zu schaffen.