NOIES MUSIK
SZENE NRW
Zeitung für neue und experimentelle Musik

gespräch mit karl-heinz blomann

Aus Noies 03/22 Juli 2022

Im September 2022 findet zum vierten Mal das ruhrgebietsweite Festival »Blaues Rauschen« statt. Kurator Karl-Heinz Blomann berichtet vom diesjährigen Programm, den Herausforderungen überregionaler Veranstaltungen und der Wichtigkeit von Zusammenarbeit zwischen kulturellen Spielorten.
Aus Noies 03/22

blauesrauschen.de
blomann.info

Tamon Yashima:
Im September findet das Festival »Blaues Rauschen« statt, organisiert vom Verein »open systems«. Erzähl doch etwas darüber!

Karl-Heinz Blomann:
Der Verein open systems wurde im Jahr 2002 gegründet. Von 1997 bis 2005 gab es insgesamt fünf Ausgaben des nach ihm benannten Festivals »open systems«. Wir haben dort Projekte von improvisierter und Jazzmusik über Neue Musik bis hin zur Performance präsentiert. Danach gab es umfängliche Projektvorbereitungen im Auftrag der Landesregierung für die Kulturhauptstadt mit dem Projekt »upgrade« und dem Austausch mit Pécs (Ungarn) und Istanbul. Leider wurde das Festival aus meiner Sicht damals für den Schritt in die internationale Sichtbarkeit innerhalb der Kulturhauptstadt nicht genügend unterstützt. Für mich war das der Grund, das Festival nicht weiter zu verfolgen. Durch meine Beschäftigung mit der elektronischen Musik kam mir dann 2017 die Idee für »Blaues Rauschen«. 

TY:
Es gibt viele Festivals in NRW. Wo liegt der Schwerpunkt gegenüber anderen?

KHB: 
Soweit ich weiß, sind wir eines der wenigen Festivals, das in unterschiedlichen Städten stattfindet. Bei uns sind die Städte und Veranstaltungsorte als Kooperationspartner beteiligt. Der Schwerpunkt von »Blaues Rauschen« oszilliert in diesem Jahr zwischen elektronischen Klangwelten, körperlichen Erfahrungen mit Sound, Live-Coding als Konzert und dem Einfluss von Technologie auf die Wahrnehmung und das Verhältnis von realen und imaginierten Räumen. Darüber hinaus werden 2022 zum ersten Mal ein dreitägiges Hacklab und ein virtueller Kompositionsworkshop mit Komponist*innen aus Pécs, Haifa (Israel) und London stattfinden.

TY: 
Wie gehst Du mit der Herausforderung um, dass die Konzerte im ganzen Ruhrgebiet verteilt sind?

KHB: 
Wir versuchen, die kleineren Veranstaltungsorte in den Städten, die durch junge Initiativen neu entstanden sind, mit in die Planung einzubinden. So haben wir z. B. in diesem Jahr in den drei Festivalstädten Essen, Gelsenkirchen und Herne insgesamt acht Austragungsstätten. Wir beabsichtigen, über diese Orte und deren Stammpublikum das Festival von der Basis her aufzubauen. Im nächsten Jahr werden wir in fünf Städten sein (plus Bochum und Dortmund). Um aber international mit anderen Festivals (wie z.B. dem Sonar Festival in Barcelona) auf Augenhöhe mitzuhalten, braucht es noch ganz andere Anstrengungen. Ich denke, nur wenn sich das Ruhrgebiet als Einheit begreift und auch seine Veranstaltungen abstimmt und gemeinsam promotet, können wir da mithalten. Da läuft bislang noch zu viel unkoordiniert nebeneinander her. Wenn z. B. die Stadt Essen ein KI Festival veranstaltet und in der DASA in Dortmund eine gleich lautende Ausstellung läuft, wäre es doch gut, wenn das abgestimmt mit ergänzenden Veranstaltungen durchgeführt und beworben wird. Das gilt auch für das Lichterfestival in Essen. Im letzten Jahr haben sich die Künstler*innen von »Blaues Rauschen« und dem Lichterfestival zufällig alle bei unserer Abschlussfeier in der Hotelbar getroffen. Viele kannten sich und wussten nicht, dass sie zeitgleich mit ihren Freund*innen Projekte in der gleichen Stadt durchführen. Auch hier wäre eine Abstimmung oder besser noch eine Zusammenarbeit wünschenswert. Darüber hinaus fehlt es einfach auch an geeigneten Clubs und Restaurants, wo man sich nach den Veranstaltungen treffen kann.

TY: 
Welche Wirkungen erhoffst du dir vom Festival?

KHB:
Mein Interesse ist es immer gewesen, über die Kunst die Köpfe zu öffnen, eine Offenheit für Veränderungen, technisch, gesellschaftlich, sozial zu schaffen. Übergreifend geht es ja im Programm immer um Transformation, um die kreative Kollaboration zwischen Mensch und Maschine. Aber mehr als Transformation, die ja immer nur die Veränderung von a nach d bezeichnet, sind Veränderungen nicht nur lineare, sondern diffuse, heterogene und auch widersprüchliche Entwicklungen. Bei »Blaues Rauschen« geht es um die Lust an den Prozessen des Möglichen und des Kommenden. Dabei sind intermediale Performances, AI basierte-, analog oder digital kreierte Kompositionen für mich wie Signale der Zukunft. Wir freuen uns, dass der WDR die Veranstaltungen aufzeichnet und dann, wie im letzten Jahr, zeitversetzt sendet. Falls es uns zukünftig gelingt, mit diesem Festival unter Beteiligung der örtlichen Partner*innen international sichtbar zu werden und in der Region Ruhrgebiet Denkanstöße für die zukünftige Entwicklung zu geben, haben wir ein wichtiges Ziel erreicht.

Karl-Heinz Blomann ist Kurator, Musiker, Labelgründer und Produzent aus Essen. Zunehmend widmet er sich der Filmmusik und einzelnen Projekten der akustischen Kunst und Musik für Tanzperformances.