NOIES MUSIK
SZENE NRW
Zeitung für neue und experimentelle Musik

gespräch mit ya¹

Aus Noies 02/22 Juli 2022

Roberto Beseler Maxwell und Levin Zimmermann denken sich frei. Levin untersucht in seinen Kompositionen präzise Intonation und algorithmische Methoden und verortet sich dabei in einer hyperkulturellen Ästhetik. Der Musikwissenschaftler und Klarinettist Roberto macht Neue Musik in unkonventionellen Konzertformaten zugänglich. Beide wirken in Essen und sprechen über das geplante ya1-Festival, das Ruhrgebiet und indonesische Einflüsse.
Aus Noies 02/22

ya-festival.org

Hanna Fink:
Beschreibt euer Umfeld, als wärt ihr selbst Aussenstehende. Und – seid ihr in der gleichen Bubble unterwegs?

Roberto Beseler:
Wir sind definitiv in derselben Bubble! Wir wohnen sogar zusammen. Die Herkünfte sind zwar anders, die künstlerischen Ideen und der musikalische Geschmack sind aber sehr ähnlich. Levin hat mich persönlich auch sehr beeinflusst, er hat mir viel Musik gezeigt und wir tauschen uns intensiv aus.

Tamon Yashima:
Wo kommt ihr musikalisch her bzw. könnt ihr fest machen, aus welchen Traditionslinien ihr stammt?

Levin Zimmermann:
Ich komme nicht aus einem musikalischen Haushalt. Ich habe überhaupt nur mit Musik angefangen, weil ich auf einem Bauernhof gelebt habe und nichts zu tun hatte. Damals hatte ich eine Gitarre von meinen Geschwistern und ein Pfadfinderliederbuch. In Freiburg habe ich dann in einer Bali/Gamelan-Gruppe mitgespielt, damals gegründet von Dieter Mack. Erst in meinen letzten vier Schuljahren habe ich dann Klavier hinzugenommen und fand so den klassischen Zugang zur Musik. Musiktheorie habe ich mir eigenständig beigebracht, indem ich selbst Sachen im Internet recherchiert habe.

RBM:
Bei mir war das anders. Meine Mutter war musikbegeistert und hat Klavier gespielt. Sie hat mich auch früh in die musikalische Früherziehung geschickt, wo ich angefangen habe, Klarinette zu spielen. Parallel zur Schule war ich dann fast zehn Jahre lang auf einem Konservatorium. Da hatte ich auch sehr viel Theorie: Musikgeschichte, Musikanalyse, Harmonielehre, bisschen Jazz und sogar Neue Musik-Theorie!

In Deutschland habe ich dann zuerst Maschinenbau in Aachen studiert und war lange im Hochschulradio als Musikredakteur tätig. Ich habe dort auch mit Freunden Partyreihen organisiert, mit Platten aufgelegt und viel elektronische Musik gemacht. Unser Konzept war: Alles außer Techno. Schlussendlich kam ich durch mein Folkwang-Studium zurück zur zeitgenössischen Musik

HF:
Aktuell plant ihr gerade das ya1 Festival. Ein Tag voll mit Musik, die unterschiedlicher kaum sein kann. Könnt ihr etwas über das Festival erzählen?

RBM:
Grundsätzlich ist die Idee, zu zeigen, dass es hier vor Ort auch andere zeitgenössische Musiktraditionen gibt, die über die europäische hinausgehen. Wir wollen mit dem Programm nicht hierarchisieren oder Stile vermischen oder verwaschen.

LZ:
In unserem Festival wird die Musik für sich stehen. Wir wollen auch keine westliche Neue Musik mit außer-europäischen Einflüssen zeigen. Es gibt Kulturen, wo das Verständnis von zeitgenössischer Musik eine ganz andere ist.

RBM:
Damit das Festival vor lauter Musiktraditionen nicht auseinanderbricht, brauchten wir auch ein verbindendes Element. In dieser Festival-Edition wird es der „Drone“ sein. Wir haben dann gezielt recherchiert und angefragt. Insgesamt gibt es sechs Konzerte, u.a. ein Drupat-Konzert. Das ist eine Nordindische Musiktradition. Oder ein Pibroch-Konzert mit einer Highland-Bagpipe. Das ist eine alte, schottische Tradition.

TY:
Was bedeutet „ya“?

LZ:
In der Programmierwelt kommt es häufig vor, dass unterschiedliche Programmierer die selbe Software schreiben. Oft ist aber beispielsweise nur das Interface anders. Ironisch wird dann „yet another …“ dazu gesagt. Etwas selbstironisch haben wir das aufgegriffen und es yet another Festival genannt. Abgekürzt dann ya. Die hochgestellte Eins (ya1) dient dazu, in der Fußnote den vollen Namen auszuschreiben. Außerdem hat es auch eine positive Komponente. Im Spanien heißt das Wort „sofort“, in vielen Kulturen ist das Wort sehr positiv behaftet.

HF:
Ihr seid in Essen und im Ruhrgebiet aktiv. Du, Roberto, machst ja auch die GNMR-Konzertreihe stromspiesser. Warum ziehen andere Kommiliton*innen im Studium zum Beispiel nach Köln? Was hält euch beide hier?

LZ:
In Köln passiert viel in unserem Bereich, es gibt feste Strukturen. Die Stadt ist wie ein Magnet. Ich habe aber wenig Interesse, Teil in diesem etablierten Neue Musik-Kontext zu werden. Ich mache Sachen lieber komplett selbst.

RBM:
Es ist eine totale Persönlichkeitssache. Damals in Aachen passierte auch nicht besonders viel, ich habe aber versucht, eine Lücke zu füllen. Ich mag das viel lieber, als in einer Umgebung zu leben, wo es schon viel gibt und ich nur einen kleinen Teil dazu gebe. Das Ruhrgebiet ist ein Meltingpott von Menschen und Kulturen, in dem noch unheimlich viel Potenzial steckt, es gibt hier Raum, Dinge auszuprobieren und zu entdecken.

Roberto Beseler Maxwell und Levin Zimmermann veranstalten erstmals das ya¹ Tagesfestival für aktuelle Musik, das räumlich und zeitlich getrennte Musiktraditionen zusammenführt.