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em guide listening bars in budapest. traditionen, orte und tipps zum musikhören.

Juni 2024

In Japan entstanden Anfang des 19. Jahrhunderts Listening Bars – Räume, in denen kollektiv und konzentriert Musik gehört werden kann. Die ungarische Autorin Borbala Kovacs begab sich auf die Suche, wo man sich heute in Budapest voll aufs Musikhören konzentrieren kann. Dabei ist auch gleich ein kleiner Guide für Musikbars in Budapest entstanden!
Foto: Gabor Nemerov

Von Borbala Kovacs
Übersetzung aus dem Ungarischen von Ferenc Czekmeiszter und Verena Hahn


Das Listening-Bar-Phänomen

Die Listening Bar ist eine japanische Erfindung, die sich aus der Tradition der Musikcafés – der Jazz-Kissa und der Meikyoku-Kissa für klassische Musik – entwickelt hat. Diese Cafés waren (und sind immer noch) dem intensiven und fokussierten Musikhören gewidmet, wo die Gäste mit Kaffee, Alkohol, hochqualitativem Soundsystem und manchmal mit Prostituierten bewirtet wurden. Durch das in den 1920er-Jahren entstandene Interesse für westliche (musikalische) Kultur entstand der Bedarf zur Eröffnung dieser Läden, in denen es die Möglichkeit gab, aus Übersee importierte Platten anzuhören, die zu teuer waren, um sie selbst kaufen zu können. Ein Teil der Mission dieser Musikcafés war es auch, ein umfangreiches Plattensortiment zu schaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Bombardierungen wurden die Sammlungen aber größtenteils zerstört, und fast alle Läden mussten schließen. Später kehrten die Bars aber mit neuer Kraft zurück, und in den 1970er Jahren soll es um die 600 Listening Bars in Japan gegeben haben, die meisten davon in Tokio und Kioto. Auch Haruki Murakami führte eine mit dem Namen Peter Cat (benannt nach seiner Katze), bevor er Schriftsteller wurde. Der Hype klang mit der Verfügbarkeit westlicher Platten, hochqualitativer Soundtechnik und später mit dem digitalen Markt ab, aber starb nicht ganz aus und Jazz Kissas existieren auch heute noch in Japan (mehr zum Thema im Buch »Sound, Space, and Sociality in Modern Japan« von Shuhei Hosokawa).

Die Listening Bar ist also eine Bar, die eine ähnliche Philosophie wie die Kissas verfolgt, aber sich nicht nur auf ein Genre konzentriert. Die Elemente einer klassischen Listening Bar sind ein geeigneter Raum, Zuhörer:innen, ein hochqualitatives Soundsystem und eine offene anspruchsvolle Kuratierung. Die Plattform Resident Advisor stellte einige Listening Bars in einer Reihe von Videos vor, unter anderem die seit 1989 bestehende SHeLTeR Listening Bar, die sich in der Stadt Hachioji neben Tokio befindet. Das Video zeigt Einblicke in den Alltag und die Philosophie einer der ältesten Listening Bars der Welt. Im Video erzählt der Eigentümer Yoshio Nojima über die Geschichte der Bar und seine persönliche Motivation, und verrät, dass es für ihn ein völlig anderes Erlebnis ist, als für Gäste und Betreiber:innen einer europäischen Listening Bar in Berlin, London oder in Budapest.

»To be quite honest, this listening movement… I’m surprised by that myself. When I heard the term I wondered, did this not exist before now?«,

sagt er, und deutet damit an, dass in Japan weder das fokussierte Musikhören noch die Kissas Besonderheiten sind. Er fügt bescheiden hinzu:

»Pioneer… a Pioneer… I don’t think that applies to me. I’ve only been doing what interests me. I didn’t intend to start a movement. I’ll simply continue doing what I’ve always been interested in.«


Die Problematik des fokussierten Hörens

Ich stelle wahrscheinlich keine radikale Behauptung auf – wahrscheinlich ist es sogar ein Klische – wenn ich sage, dass sich die verschiedenen Funktionen von Musik immer weiter reduzieren und der oder die bewusste Musikhörer:in zu einer aussterbenden Spezies wird. In Clubs geht man feiern, in Bars knüpft man Kontakte und konsumiert, wobei die Musik nur im Hintergrund spielt. Und das alltägliche Musikhören wird durch automatisierte Playlisten und Algorithmen bestimmt.

Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist nichts Falsches daran, in erster Linie soziale Erlebnisse zu suchen, bei denen Musik nur ein sekundärer Faktor ist. Musik hat eine soziale Funktion, sie war schon immer eine gemeinschaftliche Aktivität und ein prägendes Element unserer Rituale. Im Westen wurden andere Anforderungen an das Musikhören und an soziale Räume gestellt als in Japan, und wahrscheinlich könnte eine ähnliche Atmosphäre wie in einer japanischen Listening Bar hier nur durch strenge Regeln geschaffen werden. Wir könnten uns diesem Ziel durch eine Zwischenlösung annähern, wenn wir die japanische Philosophie in die westliche Verhaltenskultur integrieren. Im Curtis Audiophile Cafe in Barcelona gibt es z. B. Listening Booths, in denen man sich bei einem Kaffee die Plattensammlung auf Kopfhörern anhören kann. Im Nica, ebenfalls in Barcelona, wurde sogar ein Listening Room eingerichtet, der auch für Live-Produktionen geeignet ist.

»Here in a Mediterranean city, at some point, people want to chat. That’s alright as long as the music is always the main ingredient. It has to do with the time you’ve invested in a room. In Japan, they’ve devoted their lives to finding the best conditions.« – Guille De Juan, der Manager von Curtis Audiphile Cafe

Es ist heutzutage schwierig, einer Sache seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken, und bei Musik ist es nicht anders. Ted Giola schrieb vor Kurzem einen ausgezeichneten Artikel über die Entstehung der Dopaminkultur, in der das musikalische Erlebnis erst von Alben auf einzelne Tracks, und dann auf tiktok-kompatible Details reduziert wurde. Wer etwas gegen Dopaminsucht tun will, dem empfiehlt Giola übrigens das Hören sehr langer Tracks. Die Listening Bars sind Wahrzeichen im Kampf gegen die »Vertiktokisierung« der Gesellschaft, denn auch, wenn sie nicht unbedingt für diesen Zweck gegründet wurden, bieten sie einen Offlineraum für soziale und kulturelle Erlebnisse. Wie Yoshio Nojima im Resident Advisor Porträt sagt:

»It doesn’t feel like a bar to me, more like a room in my home. It’s not a ›SHeLTeR‹ in the sense of a bomb shelter, but a ›SHeLTeR‹ to recuperate in, to recover. I couldn’t keep pace with the hectic world, that’s partly why I came back to Hachioji. I thought it’d be good to have a place to rest, a place apart from the chaos of the world.«


Die Budapester Lage

In Budapest ist die »Blutorange« vielleicht die einzige Bar, die nach dem Vorbild einer Listening Bar im japanischen Stil konzipiert wurde. Das Ziel war ein Raum, der fokussiertes Musikhören ermöglicht und die lokale Szene unterstützt. Musikalisch konzentriert sich die »Blutorange« auf experimentelle elektronische Musik, Live-Performances und DJ-Sets. Die Bar eröffnete Anfang 2022 in der Kirälystraße, wo sie ein eher kurzes Dasein hatte. Hier konnte man unter anderem Mezcal trinken, Musik aus Magnepan-Soundsystemen hören und natürlich auch gemütlich sitzen und quatschen.

Irgendwann im Laufe des Jahres 2023 verschwand die »Blutorange« dann unter nicht ganz klaren Umständen, und die Organisatoren fingen an, in einem Keller der Akácfastraße ähnliche Musikveranstaltungen zu organisieren. Ein fester Veranstaltungsort wurde die »Blutorange« allerdings nicht mehr. Wir fragten beim Eigentümer Dima Zverev nach, was der Grund für den Umzug war. Die Bar lief finanziell nicht gut genug, und die Lage in der von Tourist:innen überfüllten Innenstadt trug nicht dazu bei, die lokale Szene stärker zu verbinden. Die Bar verwandelte sich Schritt für Schritt zu einem Clubbing-Ort, was nicht mehr viel mit ihrem ursprünglichen Ziel zu tun hatte. In der Kirälystraße zu bleiben, hätte große Kompromisse erfordert, und so entschieden sie sich für eine neue Lösung. Zurzeit organisieren sie zusammen mit der Ruin Brew Bar Pop Up Events im Keller in der Akácfastraße. Abseits der Touristenströme können sie jetzt mit der lokalen Szene die Veranstaltungen machen, die sie sich ursprünglich gewünscht hatten. Im neuen Ort sind Dima und Maria Tiurikova für die Kuration und Konzeption verantwortlich. Um den Gästen eine angenehme Atmosphäre zu bieten, wird der Raum gerade weiterentwickelt. Inzwischen arbeiten sie an der Gründung eines neuen Labels (zusammen mit Dima Grishanov) und dem Youtube-Kanal der »Blutorange«.

Die »Blutorange«. Foto: Molnár Tamás

Die Philosophie der »Blutorange« macht Hoffnung, aber trotzdem haben wir einen guten Ort verloren, und die Orte, wo man einfach Musik hören kann, werden weniger. Die »Turbina« gibt es immer noch, hat aber mit Beschwerden von Anwohner:innen und dem Bezirksamt zu kämpfen. Und die »Lärm« Bar, die während des Höhepunkts der COVID-Pandemie schließen musste, ist heute ganz verschwunden. In den Außenbezirken tauchen ab und zu Pop Up Technoclubs auf, aber sie können diese Leerstellen nicht ersetzen. Wir haben jetzt also weder Listening Bars noch ein besonders vielfältiges Angebot an Technoclubs, dafür aber immer mehr Bars, in denen einem das Zuhören schwer gemacht wird. 

Ich habe nichts gegen die nicht-Listening Bars. Es erfordert viel Kapital und Energie, eine Bar ähnlich der japanischen Listening Bars zu eröffnen, und dann gibt es noch die bereits erwähnten kulturellen Barrieren. Es gibt viele Bars mit interessantem Programm in Budapest, die aber nicht die Voraussetzungen haben, dort fokussiert Musik zu hören. Das Problem liegt meistens im Platzmangel und der Gestaltung der Innenräume, aber auch die Qualität der Soundtechnik und planloses Veranstaltungsmanagement kann man häufig bemängeln. 

Der ursprünglichen Idee der Listening Bars kommen vielleicht die Nemdebar oder das Sárkány am nächsten, beide am Széll Kálmán Platz. In der Nemdebar gibt es täglich vielfältiges musikalisches Programm, im Sárkány am Wochenende. Allerdings leiden beide Bars an den oben erwähnten Syndromen: in der Nemdebar wird es irgendwann zu laut, um Musik zu hören und sich zu unterhalten, und im Sárkány ist einfach zu eng, sodass das Publikum beider Bars lieber auf die Straße geht, um sich zu unterhalten und zu rauchen, während die DJs vor Leuten spielen, die für Getränke anstehen. Die kürzlich eröffnete Bar Bizarre, die sich in einem ähnlichen Genre bewegt, könnte diesen Fluch vielleicht brechen, aber bisher scheint die Weinbar im achten Bezirk keine Ambitionen zu haben, den Besucher:innen mehr als Hintergrundmusik anzubieten.

Die Nemdebár. Foto: Gabor Nemerov

Etwas weiter gibt es Bars, die auch eine Art von Musikphilosophie vertreten, die aber nicht groß genug sind, um dort bequem Musik zu hören. Dazu gehört z. B. das schon lange bestehende Telep am Madách Platz, die einigen guten Veranstaltungsreihen als Zuhause dient, wie z.B. die AIWA Program Issue, Saigon Hot Soup oder die Deepin Reihe, und gelegentlich Jazzkonzerte. Ähnliche Möglichkeiten bietet auch das neu eröffnete Permanens Vakáció in der Margaret-körút, das einer neuen Generation von Budapester DJs am Wochenende eine Plattform sichert. Leider spielt aber auch hier die Musik nicht die Hauptrolle: wegen der engen Räume gehen die Gäste nur für’s Bier rein, und wegen der geltenden Ruhezeiten werden um 22 Uhr die Fenster zugemacht, und die Gäste bleiben draußen und die Musik drinnen.

Erwähnen könnte man noch das Központ, den Easy Art Space, das Manyi, das Susuka, usw., die Liste ist fast unendlich, aber eine Bar wie in Tokio werden wir nicht finden. Natürlich haben diese Bars gar nicht den Anspruch, Listening Bars zu sein. Aber dann frage ich mich: Wofür all die Mühe, die DJs, die Kuration und Organisation, wenn wir doch nicht richtig zuhören?


Was tun, wenn man in Budapest wirklich Musik hören möchte?

Leider ist das nicht der Moment, an dem ich verrate, wo es in Budapest eine supergeheime Listening Bar gibt – auch, wenn ich alle erwähnten Bars von ganzem Herzen empfehlen kann. Aber ich möchte eine Alternative anbieten und eine Reihe von Veranstaltungen vorstellen, in denen bewusstes und kollektives Musikhören möglich ist.

Eine solche Reihe findet man im Gólya, wo man gemeinsam Alben anhören kann. Hier werden Alben gespielt, die einem nicht das einfachste Hörerlebnis bieten, und konzentriertes Zuhören verlangen und verdienen. Gespielt wurden z. B. schon Alben von Autechre oder Squarepusher. Bei der letzten Veranstaltung konnten die Besucher:innen das Album »Undesignated Proximate« von dgoHn hören, zusammen mit Visuals und einem anschließenden Gespräch. Ich habe Marcell Antonovics, den Organisator der Veranstaltung, zu den Visuals und seinen allgemeinen Erfahrungen befragt.

»Ich glaube, dass die Schwelle, zu dieser Reihe zu kommen, relativ hoch ist. Die Visuals dienen als eine Art Stütze: wenn die Musik sehr herausfordernd wird, kann man sich auf die Visuals konzentrieren und so einen Zugang zu der Musik finden.«

Er erzählt, dass sich die Gäste über die Visuals freuen, aber die meisten doch am liebsten doch mit geschlossenen Augen zuhören. Bei den ersten Veranstaltungen hat Marcell die Visuals gemacht, später kamen Julia Mohácsi und Tádé Bíró hinzu, und in Zukunft wollen sie möglichst viele junge aufstrebende Künstler:innen einladen, die visuelle Gestaltung zu übernehmen.

Zu Beginn der Veranstaltung stellt Marcell das Album und den oder die Künstler:in kurz vor, und dann wird das Album im Dunkeln gespielt, begleitet von den Visuals. Die Gäste sitzen, stehen oder tanzen  – Marcell lädt dazu ein, so auf die Musik zu reagieren, wie es sich passend anfühlt. Die Idee ist, schweigend zuzuhören, auch wenn es okay ist, dem Sitznachbarn etwas ins Ohr zu flüstern. Lautere Gespräche seien aber störend.

»Es war alles dabei, von Traurigkeit über Betäubtheit bis hin zu Freudentränen. Die Gäste erforschen ihre innere Welt und die Gefühle, die vom Zuhören ausgelöst werden. Ich glaube, es ist ein ziemlich gutes therapeutisches Mittel, wenn man wirklich offen dafür ist.«

Nach der Listening Session geht es in den Gesprächen am meisten um Gefühle, Stimmungen, Genres, den Bogen des Albums, Enttäuschungen, Überraschungen und erfüllte Erwartungen, den Zeitgeist und um den oder die Künstler:in.

»Ich bin kein ausgebildeter Musikwissenschaftler, ich denke zusammen mit dem Publikum. Es soll keine Frontalveranstaltung werden. Ich habe ja kein größeres Wissen als das Publikum. Wir haben also eine sehr gleichberechtigte Beziehung, die für mich und ich hoffe auch für das Publikum sehr angenehm und freundschaftlich ist.«

Bei den Listening Sessions im Gólya. Foto: Gabor Nemerov

Meine erste Begegnung mit dem Genre des kollektiven Albumhörens war die Blue Sun-Reihe in der »Blutorange«. Blue Sun ist ein gemeinsames Projekt von Hanussen (Terra Kontra) und Kozmo D (Moonbase Patel Disco). In der monatlichen Reihe werden DJs und Künstler:innen aus Budapest eingeladen, Mixe mit langsamer Musik außerhalb von Genrebeschränkungen beizusteuern. Zusätzlich bringen die DJs auch ein Album mit, das für sie wichtig ist, und das sie sich dann mit den Gästen in voller Länge anhören. Die Veranstaltungen stehen unter einem bestimmten Thema. Das kann ein Genre oder ein Gefühl sein, z. B. Eklektik, Jazz oder Hip-Hop. Wegen der Situation der »Blutorange« und des Umzugs der Hälfte des Teams nach Berlin legt Blue Sun derzeit leider eine Zwangspause ein, aber ihr Enthusiasmus ist ungebrochen – sie posten weiter auf Soundcloud und wollen die Veranstaltungen in Zukunft weiterführen.

Ich habe Ármin Törkenczy (Hanussen) gebeten, mir von dem Projekt zu erzählen, und ihn nach seiner Hörphilosophie gefragt. Er erzählte, dass das Konzept von Blue Sun nach einem Festivalsommer entstand, als er und Kozmo D genug von elektronischer Tanzmusik hatten. Zuhause hatten sie eine Menge Platten aus anderen Genres Jazz, Ambient, Downtempo, Artrock usw.), die sie aber nur zuhause hörten. Diese Musik wollten sie gemeinschaftlich hören.

Auch die Blue Sun Reihe wurde von den japanischen Listening Bars inspiriert. Als sie mit der Reihe begannen, kannten sie das Genre nur oberflächlich, aber sind seitdem immer mehr in die Kultur eingetaucht.

Anfangs, erzählt er, hatte er die Erwartung, dass die Gäste still und diszipliniert zuhören würden, ausgehend davon, was er über die japanischen Bars wusste. Als er dann Blue Sun startete, wurde ihm klar, dass das in Europa so wahrscheinlich nie funktionieren würde. Hier wird es immer Leute geben, die reden oder herumlaufen, und es liegt immer eine Art von Partystimmung in der Luft.

Nach ihrer ersten Veranstaltung stellten sie fest, dass es sich nicht lohnte, von ihrem Publikum völlige Stille und Konzentration zu erwarten, aber sie sahen das nicht als Scheitern an. Als Veranstalter ist es für Ármin wichtig, nicht nur als DJ zu denken und den Leuten seinen eigenen Zugang zur Musik aufzuzwingen, denn seine Gäste kommen nicht nur, um Musik zu hören, sondern auch um Spaß zu haben und neue Leute kennenzulernen. So entwickelte sich bei Blue Sun organisch eine Atmosphäre, in der die konzentrierteren Zuhörer:innen am DJ-Pult sitzen und die geselligeren Leute an den entfernteren Tischen.

Ármin lebt jetzt in Berlin und geht regelmäßig in Listening Bars. Für ihn sei das wie ein Saunabesuch oder ein Besuch beim Psychologen, eine geistige Reinigung und Loslösung von der alltäglichen Hektik der Großstadt. Als Teil der »Spotify-Generation« hat er festgestellt, dass es ihm schwerfällt, sich ganz auf das Hören von Musik zu konzentrieren. Es war das Plattensammeln, durch das er das Bedürfnis bekam, konzentrierter zu hören.

Durch das Schallplattensammeln entwickelte er ein Ritual des Zuhörens, das für ihn inzwischen einer Meditation gleicht – auflegen, abspielen, umdrehen und keine Titel überspringen. Er musste sich in Selbstbeherrschung üben, damit das Musikhören nicht zur Nebenbeschäftigung wird, aber jetzt kommt er sehr schnell in den Hörmodus.

Ich kann also sagen: Es gibt viele Möglichkeiten, ganz bewusst Musik zu hören. Such dir ein Konzept aus dem Artikel aus, das dir gefällt, geh in eine Listening Bar, oder, wenn es keine gibt, geh einfach nah an das DJ Pult. Geh ins Gólya und hör dir dort mit anderen gemeinsam ein Album an. Verlass dich nicht auf Algorithmen, recherchiere selbst. Geh in einen Plattenladen, auch wenn du keine Platten sammelst. Überleg dir dein eigenes Listening Ritual zuhause. Hör dir zusammen mit Freund:innen Musik an und sprecht darüber.

This article is brought to you by MMN Mag as part of the EM GUIDE project – an initiative dedicated to empowering independent music magazines and strengthen the underground music scene in Europe. Read more about the project at emgui.de.

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