NOIES MUSIK
SZENE NRW
Zeitung für neue und experimentelle Musik

reise zur gzm aachen: preisgekrönter mehrspartenverein

Aus Noies 04/23 Oktober 2023

Ein »bunt gemischter Haufen« sei die Gesellschaft für zeitgenössische Musik Aachen e.V., so die Vorsitzende Dr. Gwendolen Webster. Ein Gespräch über Standbeine, überregionale Schranken und die Bedeutung einer Spielstätte, die im wahrsten Sinne des Wortes Brücken schlägt.
Aus Noies 04/23

Hanna Fink war zum Ortsbesuch bei der GZM Aachen und führt damit die Bestrebungen von NOIES weiter, lokale Zentren zeitgenössischer Musik aus ganz NRW abzubilden. Man erreicht die GZM unter www.gzm-aachen.de sowie auf Facebook und Instagram.

Manchmal helfen Sprachbilder, um sich Dingen, Institutionen, Menschen anzunähern. Im Falle der GZM Aachen sind es Gedankengebilde rund um die Zahl Drei. Gleich mehrere Sparten sind im vor genau 35 Jahren gegründeten Verein zuhause: die Improvisierte Musik, der Aktuelle Jazz sowie die Zeitgenössische Komponierte Musik. G-Z-M – das Z (statt N) für »zeitgenössisch« im Namen kommt nicht von ungefähr, wurde der Verein doch zunächst von Aachener Jazzern gegründet, deren Aktivitäten im Laufe der Jahre Mitstreitende aus den anderen Bereichen angezogen haben. Und auch heute noch sind es nicht etwa Komponist:innen, die den Verein prägen, sondern eine sich respektierende und gleichermaßen befruchtende Mischung aus Musiker:innen verschiedenster Profession, Musikwissenschaftler:innen, Pädagog:innen sowie Aktiven, die sich der Musik als professionelle Laien widmen. Mit dabei ist auch das Neue Musik Ensemble Aachen mit Olaf Futyma an der Flöte. Johanna Daske muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, sie ist offiziell Kassiererin der GZM und schmeißt inoffiziell mit großem Engagement eigentlich die Geschäftsführung des Vereins. Kuppel, Klangbrücke, music loft – Namen und Orte zeichnen ein passendes Bild dieser breit aufgestellten Institution, die sich auf einen historischen Vorgänger berufen kann. Ergebnisse intensiver Zeitungsrecherchen haben einen Anfang der 1920er gegründeten Verein aus Aachen zutage gebracht, der sich als kulturelle Vereinigung der Förderung der Künste, der Literatur (die Manns waren zu Gast!) und insbesondere der damals zeitgenössischen Musik verschrieben hatte: »die Kuppel«, später von den Nazis zerschlagen. Dem in den Achtzigern gegründeten Zusammenschluss stellten sich anfangs Schwierigkeiten, die wohl viele vergleichbare Organisationen hatten und haben: eine fehlende Spielstätte und eine dünne Finanzlage. Glücklicherweise stellt die Stadt Aachen dem Verein bereits seit 1998 die Klangbrücke im Alten Kurhaus im Zentrum Aachens zur Verfügung. Die sich im letzten Vierteljahrhundert dort etablierte Klangbrücke ist mehrfach preisgekrönt und hat sich zu einer festen und dabei unabhängigen Spielstätte Aachens entwickelt, erhielt zuletzt sogar den Applaus-Preis der Kulturstaatsministerin für ausgezeichnete Programmplanung. Der Ort hat Geschichte: vor dem Zweiten Weltkrieg stand hier im Kurgarten ein großer Konzertsaal mit Platz für 2000 Besuchende, Strauss dirigierte den Rosenkavalier, Karajan blieb jahrelang. Jetzt schweben die Musiker:innen im besonders für Kammermusik geeigneten Raum in einer Brücke, die das Kurhaus mit dem daneben liegenden Turm verbindet. Über das Programm entscheidet ein eigener künstlerischer Beirat, der dem Vorstand unter Dr. Webster und zukünftig auch Catharina Marquet als Doppelspitze inhaltlich zur Seite steht und sich aus Vereinsmitgliedern zusammensetzt. 

Vermittlung und künstlerischer Nachwuchs waren seit Beginn wichtige Standbeine, was sich nicht nur an regelmäßigen Veranstaltungsformaten wie »Hören und Sprechen über Neue Musik« oder auch ganz musikpraktisch den erfolgreichen Anti-Aging-Bläserensembles für Erwachsene zeigt. Das music loft als freie Musikschule ging als musikpädagogische Einrichtung aus der GZM hervor. Mittlerweile gibt es einen eigenständigen Trägerverein, der neben Musikunterricht für Groß und Klein auch eine Kinderkompositionsklasse und verschiedene Workshops als Nachwuchsforum für die zukünftigen Musiker und Zuhörer:innen von morgen anbietet.

Naheliegend ist die Frage nach der überregionalen Zusammenarbeit, Aachen liegt schließlich im Dreiländereck von Deutschland, Belgien und Holland. Die Antwort des Vorstands klingt ernüchternd. Obwohl Maastricht näher ist als Köln, sorgen die Ländergrenzen für einschneidende Unterschiede bezüglich finanzieller Bedingungen und erschweren einen offenen künstlerischen Austausch von Freien. Gewinnbringender ist die länderübergreifende Zusammenarbeit mit Ausbildungsinstitutionen. Die Studis der HfMT-Dependance in Aachen lassen sich dennoch selten blicken – aber auch das ist ein Phänomen, was einige Konzertveranstaltenden aus anderen Städten mit einer Musikhochschule kennen dürften.

Wie bei vielen Vereinen hängt es vom Engagement Einzelner ab. Die Unterstützung durch die Stadt ist gut, mehr als viel ehrenamtliche ergo unbezahlte Arbeit sowie hier und da ein Mini-Job ist aber natürlich auch nicht drin. 

Zudem steht bald ein Generationenwechsel an. Es fehlt, wie überall, an Zeit und Wo:Menpower. Dafür lässt sich das Programm sehen, das durchaus auch politische Positionierung nicht scheut und gerade durch sein Alleinstellungsmerkmal, verschiedene Sparten unter einem Dach zu vereinen, verdiente Auszeichnung erhalten hat. Formate wie Stationen und Soundtrips NRW sind zu Gast, und neben vereinzelten großen Events wie beispielsweise dem Dada-Festival »Schnpp« 2016 im Ludwig-Forum, dem Gastauftritt von Frederich Rzewski mit »The People United Will Never Be Defeated« 2018 oder die Performance von Sookee im Themenkonzert Protestkultur veranstaltet die GZM das jährliche In Front-Festival (ehemals Euregio-Musiktage), ab diesem Jahr mit explizit angepassten Mindesthonoraren. Auch diesen Herbst ist es wieder so weit, die Besuchenden erwartet ein dreitägiges Programm unter anderem mit Pablo Held, Markus Stockhausen, dem Neue Musik Ensemble Aachen sowie einer Performancekünstlerin.

Auf mich als Außenstehende wirkt der Verein im Vergleich zu anderen Organisationen dieser Art in NRW gut etabliert und in der Stadtgesellschaft verankert, wenngleich er auch durch fehlenden Kulturjournalismus der Region in der Öffentlichkeit nicht allzu präsent ist (wo ist das schon der Fall?). Zu Anfangszeiten schien der Verein durch Musiker:innen getragen, die sich eine eigene Szene inklusive Förderungsstrukturen aufbauen wollten und mussten. Mittlerweile ist die GZM eine nicht wegzudenkende Institution. Es wäre ihr und den Menschen, die in den vergangenen 35 Jahren so viel Zeit, Energie und Freude in die Aktivitäten gesteckt haben, nur zu wünschen, dass sich die Verantwortlichen dieses Schatzes in ihrer Mitte bewusst sind und die Förderung mindestens angemessen fortführen. Es ist und bleibt eine politische Entscheidung, in Aachen wie anderswo, ob der gesellschaftliche Wert von Kulturinstitutionen dieser Art erkannt und wertgeschätzt wird.

Die 1988 gegründete Gesellschaft für Zeitgenössische Musik Aachen e.V. (GZM) hat mit der seit 1998 bestehenden KLANGBRÜCKE einen festen Ort etabliert, den sie für Konzerte, Gesprächsreihen, Workshops sowie das jährliche In Front Festival nutzt. Unter einem Dach vereint erklingt Neue Musik, aktueller Jazz und Impro.