NOIES MUSIK
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Zeitung für neue und experimentelle Musik

verliebt in wirrsinn

Aus Noies 05/23 Februar 2024

Künstler Friedrich Boell bezeichnet Kabel bisweilen in seinem Fantasieslang als »Kableurs«. Er findet, das klingt besser als »Kabel«. Und ohne Kableurs geht nichts, also weil natürlich selbst der allerbeste Wirelesser braucht unbedingt irgendwann mal 'ne Aufladung. Und dann: »Ah ja, Mist, leer. Hey, hast du zufällig ein Kableur dafür?«
Aus Noies 05/23

lleob.de

Oder wie mir mal ein etwas durchgepeitschter Kleinanzeigen-Autositzverkäufer was von seinem schräg abgeplanten Schweden-Kopf im Ascona mit Spezialbrücke und Zusatzventil erzählte.

»Totale Hölle ab 180 auf der Autobahn, und also das Teil echt original von Lilebrohr Nasenius. Is wie, als wenn du jeden Tag auf dem schäbigsten Schemel im Büro abhängst, aber dann natürlich die neueste Wixgurke von Audi. Näh – da würd’ ich nicht tauschen. Dann besser Knatterbüchse, aber dafür machen, was du willst. Ja oder, ne?«

Was er mir damit en détail vermitteln wollte, verstand ich nur grob, aber es klang interessant und lustig.

Ich habe dann die Sitze, sowie einen Vergaser, Wasserpumpe und ein paar Kableurs eingepackt.

»Kableurs kannste ja nie genug haben«,

sagte ich und vielleicht sollte ich ihm auch so etwas erzählen. Also mehr den Vibe, also ein Gefühl vermitteln, als bei genauer Betrachtung konsistente Zusammenhänge auszudrücken. Etwa:

»Ich hab bei mir außerdem ‘nen seltenen zwei Viertel-Doppelteiler und brauche eigentlich einen Monolinker dafür, haben Sie zufällig einen da?«

Dann er bestimmt:

»Ja nö, leider hat Peter Alexander den Mono gerade ausgeliehen, aber probieren ‘se mal hier den Cinch-auf-verstärktes-XC Modul Adapter. Aber Kabel sind auch einfach die Adern der Maschinen. Wird eins undicht – schwupp läuft dir der Strom aus und dann haste mit Pech Stromschlaganfall. Da geht erstmal nix, Netzteil komplett halbseitig gelähmt. Aus dem Brückengleichrichter piepst nur noch die halbe Phase. Also mit Omega sofort inne Reha, und nach ein paar regelmäßigen Lötungen wieder vorsichtig belasten.«

Ich:

»Hm, ja na gut – is mir auch schon mal passiert. Und bei neuste digitalen Kableurs is et ja auch wie bei de allerfeinste Nervenbahnen – da haste dann eventuell ganz andere Probleme.«

Ich meine damit, dass manchmal beim Transport der im Halbtakt operierenden und in proprietäre Kommunikationsprotokolle gehüllten, wichtigsten Neuigkeiten vom FX Coprozessor zum Tone Board und wieder zurück einiges schief gehen kann. Auch Schwingungsupdates vom Wandler zur Impedanz im Kopfhörerausgang können betroffen sein.

»Denn wehe – Koppelkondensator C899 soll eigentlich die Übertragung managen, aber der is vor ein paar Jahren ausgewandert. Und daher zirkuliert nur zitternde Brummspannung in de Kableurs.«

Das Bild zeigt Friedrichs zweite Heimorgel, die er damals mit dem Kadett von Ebay Kleinanzeigen abgeholt hat. Foto: Friedrich Boell.

Auf der Rückfahrt denke ich mir dann noch einen speziellen Witz aus, der geht so: Ich tue so, als ob ich ein neues Kartenspiel erklären will. Beispielsweise:

»Also und kennst du Gabeltrio? Pass auf, das geht so – du hast zwei Karten und alle anderen auch. Und dann legst du eine umgedreht auf den Tisch, und eine hältst du in der Hand. Und dann gibst du sie nach links weiter und bekommst zwei neue. Und dann schaust du eine an und eine legst du ab – also umgedreht. Aber es gibt eine Besonderheit: Bei Herz oder Pik gibst du nach rechts weiter und bei Bauer und Sieben nach links…«

Und dann erzähle ich einfach eine gewisse Zeit komplett wirre Anweisungen über das Kartenspiel, bis mir nichts mehr einfällt. Die Leute sind dann zunehmend verwirrt und wissen nicht, ob das ernst gemeint ist oder nicht. Ich ergänze meine Kartenspielanweisung mit Aussagen wie

»Ist eigentlich ganz einfach, das ist von 12- 99. Pass auf und du kannst auch gewinnen, wenn du, aber dann haben alle gewonnen.«

Und es wird immer klarer, dass es einfach Wirrsinn ist. Muss ich mal ausprobieren, ob der klappt oder nicht. Na gut, bis dann, und: ein Senffleck im Sakko macht noch keinen Sommer, und Polsprung ist, wenn das Watercloset plötzlich einfriert.

Foto: Kölner Design Preis
Foto: Kölner Design Preis

Friedrich Boell beschäftigt sich in seiner Kunst mit Technologien. Dafür nutzt er gefundenes Material und E-Waste. Er verwendet Verfahren wie Programmierung, 3D-Modellage, Digitale Fertigung und Video. Dabei verbraucht er nebenbei natürlich auch viel Starkstrom, aber die darin enthaltenen Ressourcen und Potentiale werden durch die Erschaffung seiner Kunst optimal genutzt.