Von Gîn Bali
Die sich ständig bewegende Kunst- und Kulturszene scheint eine bedeutende Transformation zu erleben, angetrieben von der erhöhten Sichtbarkeit queerfeministischer Kollektive und deren Perspektiven. Diese Kollektive, vereint durch eine gemeinsame Vision von Gleichberechtigung, Selbstausdruck und sozialer Gerechtigkeit, schließen mit traditionellen Kulturinstitutionen vermehrt projektbezogene Partner:innenschaften, um langjährige Barrieren zu durchbrechen und etablierte Normen in Frage zu stellen, und vor allem auch, um entgegen rechter Strukturen eine Gegenbewegung zu stärken. YAYA ist eine dieser Gruppen und arbeitet seit nun 5 Jahren daran, im Kunst- und Kultursektor ein realistisches Abbild der Gesellschaft zu schaffen. Mit einem klaren Fokus auf intersektionalen Feminismus und dem Anspruch, unterdrückerische Strukturen in ihrer Tiefe zu benennen, um sie zu dekonstruieren, setzen wir in der institutionellen und nicht-institutionellen Kulturlandschaft Standards, mit denen sich faktisch anscheinend vorher noch nicht beschäftigt wurde.
Das macht unsere Arbeit mit Kulturinstitutionen, naja, wir nennen es diplomatisch formuliert jetzt einfach mal »spannend«. Die Forderung nach mehr Diversität ist für viele Kulturinstitutionen eine große Herausforderung, bei der sie die Expertise freier Kollektive oder gemeinnütziger Organisationen mit Freude annehmen, sodass wir plötzlich ganz schnell zum Aushängeschild des Monatsflyers von Kulturinstitution xy werden. Das Thema sei ja wichtig! Ja, bei dem Begriff »wichtig« stellt sich vor allem die Frage: Für wen? Bei Kulturinstitutionen ist es eben nicht das eigene Personal, das diesen Fokus setzen möchte. Wenn das der Fall wäre, wäre eine intersektionale Handlungspraxis etwas, das sie unabhängig von kleinen Kollektiven wie uns das ganze Jahr über umsetzen könnten. Für eine Reformation der Arbeitsstrukturen in Kulturinstitutionen sind wir nicht verantwortlich. Unsere Arbeitsweise deckt jedoch automatisch so essentielle Unterschiede zu den Arbeitsweisen von Kulturinstitutionen auf, dass an vielen Stellen ein gegenseitiges Verständnis kaum möglich ist. Wie eine unserer YAYA-Mitglieder in einem Gespräch mit einem Techniker in einer solchen Kulturinstitution sagte: »Awareness ist nicht nur während des Workshops heute Mittag gewesen. Awareness ist immer, 24/7!«. Diese Antwort folgte, als ein Techniker verwirrt über den Begriff der »Awareness« war, der im Kontext des Umbaus eines Konzertsaals von uns verwendet wurde. Uns ist es wichtig, dass unsere Gäst:innen immer Sitzmöglichkeiten haben, auch wenn es »eigentlich« eine Stehparty ist. Das war hier für den Techniker nicht ganz so verständlich. Aber auch Sitzen ist für uns ein Awarenessthema! Wir verlangen nicht von Techniker:innen, dass sie sich mit all unseren Diskursen genauso beschäftigen wie wir, wir wünschen uns ausschließlich Respekt für unsere Entscheidungen, die mit Technik verbunden sind und ein Durchführen dessen, auch wenn man es für einen selbst vielleicht »komisch« ist, dass bei einer Party auch ein paar Sitzgelegenheiten gegeben werden sollen. Ganzheitlich. Jede mögliche Facette der Bedürfnisse unserer Gemeinschaft bei Veranstaltungen zu berücksichtigen, in den Dialog mit unserer Gemeinschaft zu treten, ihre Wünsche ernst zu nehmen, Richtlinien zu erstellen und Community-Preise für Eintrittskarten anzubieten, sind nur einige der Anstrengungen, die wir in unserer Veranstaltungsarbeit umsetzen.
Wann sind große Teile davon nicht umsetzbar? Nun, wir sagen das ungern, aber es ist bedauerlicherweise eine Tatsache, dass dies in den letzten fünf Jahren der Vereinsarbeit gerade im Kontext von Kulturinstitutionen aufgetreten ist. Und dennoch brauchen sie uns. Aber warum? Es gibt so viele Antworten auf diese Frage. Das fängt bei Street Credibility an und hört bei gesetzlichen Richtlinien zum Diversitätsanspruch auf. Die Liste ist lang. Daher ist eine Ausführung dieser Gründe kaum möglich, um nicht den Rahmen dieses Artikels zu sprengen. Allerdings möchten wir zumindest einen Einblick in das Thema geben, denn diese Abhängigkeit von Kollektiven wird sehr bewusst nicht sichtbar gemacht.
Kulturinstitutionen, die oft als unabhängige Schöpfer ihrer eigenen Programme wahrgenommen werden, finden in der Zusammenarbeit mit Kollektiven eine Quelle für frische Ideen und kreative Energien. Kollektive Gruppen bieten nicht nur innovative Konzepte, sondern auch Zugang zu aufstrebenden Talenten. Allein der Kontakt zu Artists, die Institutionen ohne Kollektive wie uns nicht sehen würden, ist basically die Arbeit einer Bookingagentur. Wir sind uns dessen bewusst, dass allein unsere Veranstaltungshistorie, die man im Internet findet, für so viele große Player einfach unbezahlte und nicht anerkannte Vorarbeit ist. Die Vielfalt der Perspektiven, die Kollektive einbringen, führt oft zu neuen künstlerischen Ansätzen und Veranstaltungskonzepten, die die Stadt mit kreativer Energie füllen. Die Bedeutung von Kollektiven für die Institutionen liegt in ihrer Fähigkeit, neue Zielgruppen anzusprechen und lokale Gemeinschaften zu stärken. Das Problem bei Kulturinstitutionen liegt hier vor allem im Festhalten an überholten Strategien.
Was macht diese Kollektive so einzigartig? Sie sind Innovationsmotoren, die sich nicht an etablierte Normen binden. Ihre Vielfalt an Mitgliedern ermöglicht es ihnen, neue Perspektiven einzubringen und innovative Ansätze zu verfolgen, um diverse Zielgruppen anzusprechen. Ein wesentlicher Aspekt ist ihre Community-Nähe. Freie Kollektive verstehen die Bedürfnisse und Interessen verschiedener Gemeinschaften, was es ihnen ermöglicht, Programme zu entwickeln, die direkt auf diese zugeschnitten sind. Die Herausforderung, neue Zielgruppen in etablierte und veraltete Kulturinstitutionen zu integrieren, ist real und dringend. Doch die Lösung liegt nicht im Festhalten an alten Strukturen, sondern in der Flexibilität und Innovationskraft freier Kollektive. Sie sind der Wegweiser für eine Kultur, die vielfältiger, zugänglicher und relevanter ist als je zuvor. Ihre agilen Strukturen ermöglichen es, am Zahn der Zeit zu bleiben, auf Bedürfnisse zu reagieren und sich anzupassen – eine Flexibilität, die die starren Grenzen traditioneller Institutionen oft übersteigt.
Jedoch bleibt diese Abhängigkeit oft im Verborgenen. Kulturinstitutionen präsentieren stolz ihre Programme und Veranstaltungen, während die Zusammenarbeit mit Kollektiven eher als temporäre Partner:innenschaft dargestellt wird. Dabei wird komplett unsichtbar gemacht, dass der Marktwert der Kollektive natürlich von nichts anderem als ihrer kostenlosen öffentlichen Vorarbeit abhängt und dieser jedoch genau dafür verantwortlich ist, warum Leute zu unseren Events kommen.
Warum kostenlos? Auch wenn wir Gelder bekommen, sind diese immer projektgebunden. Allerdings geht unsere Arbeit weit über unsere Projekte hinaus. Es ist uns wichtig, Öffentlichkeitsarbeit unabhängig von Projekten zu machen. Wir haben immer ein offenes Ohr für unsere Community, unterstützen wo wir können, vermitteln Jobs, geben kostenlos Feedbackstunden an andere Kollektive. Doch wer bezahlt uns all das? Der Marktwert, den wir uns mit dieser Arbeit schaffen, muss in unseren Gagen sichtbar werden! Wir fordern die Anerkennung unserer Community-Arbeit, die nicht um 16:00 Uhr am Laptop endet und mit einer Tarifstelle vergütet wird. Wir fordern ein Zugestehen, dass unsere Forderungen »the bare minimum« sind!
Um das ganze mal in ein unverblümtes Sprech zu übersetzen: Euer Inhalt hängt mostly von uns ab. Eure Streetcredibility hängt mostly von uns ab. Eure Öffentlichkeitsarbeit lässt zu wünschen übrig, so let’s just be honest, auch die hängt mostly von uns ab. Und dann wollt ihr wirklich dass wir uns zu 6 Personen so viel Geld für ein Projekt teilen sollen, wie eine einzelne Person, die auch noch bei euch fest angestellt ist, verdient? Offene und transparente Kommunikation über die Realität der Strukturen von Kulturinstitutionen wäre doch schon mal ein Anfang. Wir als Kollektive arbeiten oft mit knappen Budgets, wobei Mitglieder ihre Zeit und Fähigkeiten ehrenamtlich einbringen, um Veränderungen voranzutreiben, haben keine festen Anstellungen für unsere unabdingbare Arbeit, haben fast nie einen physischen Ort, den wir nach eigenen Regeln und Ideen gestalten können und noch so viele andere Probleme, mit denen wir uns beschäftigen müssen. And guess what: Auch wir leben von unserer Arbeit. Die Liste an Barrieren ist so lang, der Kampf um Anerkennung und angemessene Entlohnung bleibt. Die Hierarchieunterschiede zu Kulturinstitutionen, mit denen wir regelmäßig konfrontiert werden, sind nicht nur auf der Ebene bezüglich Respekt in der Zusammenarbeit sichtbar. Wir werden faktisch im Vergleich zu ihnen bei Förderfonds benachteiligt. Bei euch liegt also das Geld, an das wir nicht kommen, so richtig teilen wollt ihr es nicht, von uns profitieren aber schon. Dies muss sich ändern! Die Spirale ist so endlos, das System alles andere als nachhaltig. Immer wieder wird mit etablierten Kollektiven wie unserem kooperiert, bis wir Burn Out Erscheinungen bekommen und es nicht mehr machen wollen, und anschließend wird für die nächste Kooperation einfach ein »unerfahreneres« Kollektiv an Board geholt, dass man in Zoomcalls noch schön erzählen kann »dass das mit dem Bürokratiesystem in Institutionen etWaS anDerS läUft« und wir das halt einfach nicht wissen, wie das hier wirklich läuft. Doch Marianne, ich weiß das sehr gut. Deswegen sitze ich hier und schreibe diesen Artikel und nicht du. Wir wissen, dass wir kaum in der Lage sind, so etwas wie eine Förderung zu bekommen, die sich über mehrere Jahre erstreckt und strukturelle Verbesserungen für uns wie bspw. Festanstellungen möglich machen würde. Wir wissen, dass wir uns ausschließlich von der einen Projektidee zur nächsten hangeln müssen. Wir wissen, dass wir, wenn unser Antrag nicht durchgeht, 0€ für unsere Arbeit haben werden. Vor allem aber wissen wir, dass unsere Arbeit aber weitergehen muss, ob der Antrag durchgegangen ist oder nicht.
Was heißt das alles jetzt für unsere Arbeit als YAYA? Wollen wir nie wieder mit Institutionen arbeiten? Nein, das heißt es auf keinen Fall. Erstens haben wir auch schon mit Institutionen gearbeitet, mit denen das alles schon so viel besser läuft, man respektvoll behandelt und fair bezahlt wird. Diese Vorreiter:innen sind aktuell noch Einzelfälle. Diese Einzelfälle geben uns super viel Hoffnung. Wir sehen es mit als unsere Aufgabe, den Dialog mit Institutionen voranzutreiben um Regel und Einzelfall austauschen zu können, machen auf Paneltalks auf diese Lücke sichtbar und versuchen in unserer Arbeit mit befreundeten Kollektiven, sie auch für dieses Thema und die Anerkennung ihrer eigenen Arbeit zu sensibilisieren.
Wenn auch Ihr als Leser:innen uns in irgendeiner Weise unterstützen möchtet, könnt Ihr immer auf unser Vereinskonto spenden oder am besten sogar für ab 10€ im Jahr YAYA Mitglied werden <3
Das Kölner und Wuppertaler Kollektiv und Netzwerk YAYA kuratiert Kulturprogramme und entwickelt Räume, in welchen Menschen diverser Hintergründe gemeinsam Kunst, Kultur und Musik zelebrieren. YAYA’s Mission ist es, Veranstaltungen mit einer positiven und inklusiven Atmosphäre zu entwickeln.